Li Shangyin
Nacht für Nacht ihr Herz
Aus dem Chinesischen von Raffael Keller
Grafiken von Christophe Carbenay
hochroth Berlin 2017
ISBN 978-3-903182-01-1
54 Seiten, Broschur
In einer Regennacht nordwärts gesandt
Du fragst nach meiner Heimkehr – sie ist noch unbestimmt.
In den Regennächten der Berge von Ba schwellen die Herbstweiher an.
Wann werde ich mit dir am westlichen Fenster den Docht der Kerze kürzen
und erzählen von den Regennächten, damals in den Bergen von Ba?
„Li Shangyin (um 812–858) war die letzte große Dichtergestalt der Tang-Zeit (618–907). Seine von Melancholie und Fin-de-siècle-Stimmung durchdrungene Lyrik widerspiegelt den im 9. Jahrhundert unübersehbar gewordenen Niedergang des einst blühenden Reiches der Tang. Die strengen, gereimten Formen des seit der frühen Tang-Zeit gebräuchlichen Regelgedichts reizte Li Shangyin dabei mit dichten, zuweilen manieristisch anmutenden Bildkompositionen bis an die Grenzen der Verständlichkeit aus, was ihm den Ruf eines hermetischen Dichters einbrachte. Oft verbergen sich hinter seinen dunklen Versen jedoch kunstvolle Satiren, die sich in verschlüsselter Form gegen herrschende Kaiser und Zustände richten oder in epigrammatischen Vierzeilern bekannte historische Ereignisse in ein überraschendes Licht rücken. Ein raffiniertes Spiel zwischen Enthüllung und Verschleierung inszenieren auch seine berühmten erotischen Gedichte, die er teilweise ohne Titel ließ.“
Raffael Keller
Raffael Keller, geboren 1970 in St. Gallen, studierte Sinologie und Japanologie in Berlin und Nanjing. Er lebt als Übersetzer aus dem Chinesischen in Winterthur und stellte mit Du Fu (Gedichte, Mainz 2009) und Liu Zongyuan (Am Törichten Bach, Berlin 2005) bereits zwei der bedeutendsten Dichter der Tang-Zeit in Einzelbänden vor. Er übertrug außerdem zahlreiche zeitgenössische Lyriker und veröffentlichte zuletzt die anonymen Neunzehn Gedichte aus alter Zeit (Frauenfeld 2016) sowie Lieder von Zhou Bangyan (Dortmund 2017).